Rezension zu Roland Lampes Buch „Der Wald verwandelt sich in Traum – Christian Morgenstern in Birkenwerder“ von dem Journalisten und Dichter Henry Martin Klemt, erschienen in: Märkische Oderzeitung / Märkischer Markt, 31. Juli 2021.

 

Da kommt schon etwas zusammen: der Wald, das Theater, die Krankheit, die Kurklinik, die Liebe und die Literatur …
Wenn der Schriftsteller Roland Lampe sich einem Kollegen widmet, teilt er zumindest einen Teil von dessen Affinitäten, erweckt er einen näheren oder ferneren Seelenverwandten zum Leben. Das war in seinem Buch zu Fontane so und so geschieht es auch in dem beim Findling Verlag erschienenen Bändchen „Der Wald verwandelt sich in Traum – Christian Morgenstern in Birkenwerder".

Eine schön gestaltete, mit wohlgewählten Illustrationen ausgestattete Lektüre ist dem Leser auf 96 Seiten an die Hand gegeben, eine warmherzig verfasste Hommage auf den Dichter der „Galgenlieder“, dessen Vielseitigkeit und Facettenreichtum oft weniger bekannt sind als sein erfolgreichstes Buch. Roland Lampe bemerkte einmal, dass es vor allem Tagebücher und Briefe von Autoren sind, die ihn inspirieren, weil sie den Menschen hinter dem Werk aufschließen, sein verborgenes Leben, seine nüchterne und leidenschaftliche Existenz, sein Bemühen um Sprache und Wirkung offenbaren. Zugleich führt Roland Lampe seine Leser zwar an einen Ort am Rande Berlins, doch im Grunde entrollt er die ganze Infrastruktur, deren Ergebnis schließlich das ist, was wir längst zu kennen glauben und nun auf neue Weise erfahren, mit Lust zusammengetragen und mit leichter Hand serviert.

Neben Seeluft und Gebirgsklima war Birkenwerder für den TBC-kranken Christian Morgenstern 1905 vor allem wegen der Nähe ebenso zu Berlin wie zur reinen Natur ein heilsamer Platz, ein Rückzugsort, der zugleich die Möglichkeit bot, Freunde zu empfangen. Morgenstern hielt Kontakt zu seinem Verlag und schrieb das wohl skurrilste Gedicht, das je einen deutschen Bahnhof zierte, führte Tagebuch und schloss das Manuskript für seinen Gedichtband „Melancholie“ ab. Er las russische Literatur und traf seinen Freund, den Schauspieler Friedrich Kayssler. Im Herzen hatte Morgenstern noch genug Platz für eine heimliche Passion, aus der ebenfalls Verse sprühten.

Der 35-jährige Morgenstern, dem nur noch weniger als zehn Jahre zu leben blieben, formulierte nicht nur Poesie auf seinen langen Waldspaziergängen, sondern auch komplette Korrespondenzen. Und Roland Lampe, im Urteil sonst ebenso zurückhaltend, wie er gern aus kenntnisreicher Fülle zitiert, ist sich gewiss: „Man kann sich gut vorstellen, wie der große, schlanke Mann mit den leuchtenden Augen im Wald von Birkenwerder ging, lag oder stand, lauschte und beobachtete und förmlich eins wurde mit der Natur.“ Einer Natur, der Morgenstern nicht als Beherrscher gegenübertreten wollte, sondern als deren Teil er sich bereits verstand, als er sich den Lehren Rudolf Steiners anschloss, auch beflügelt von der überzeugten Anthroposophin Margareta Gosebruch, die er 1910 heiratete.

Heute erinnert eine Gedenktafel am ehemaligen Logierhaus an den Aufenthalt Christian Morgensterns in Birkenwerder. Es gibt ein Christian-Morgenstern-Museum auf der Bismarckhöhe in Werder an der Havel - hier hatte der Dichter die Idee zu den „Galgenliedern“ - und den Zirkus Morgenstern an der Waldorfschule in Werder im gleichen Ort, in Berlin eine Gedenktafel an Morgensterns Wohnhaus, eine Grundschule seines Namens, Antiquariat und Café in Steglitz und eine Buchhandlung im Prenzlauer Berg, die Palma Kunkel heißt.

Was das nun soll, das wissen jene, die Morgenstern besser kennen. Aber das Büchlein von Roland Lampe ist sicher auch für jeden anderen Literaturfreund eine kleine, freundliche Entdeckung.

 

Mehr über und von Henry Martin Klemt: www.hmklemt.de

Roland Lampe
Der Wald verwandelt sich in Traum – Christian Morgenstern in Birkenwerder

1. Auflage 2021

96 Seiten, Format 12 x 21 cm,
Broschur mit Klappen,
bebildert mit historischen Abbildungen und Fotos,
ISBN: 978-3-933603-69-2
Preis: 10 Euro,

Erhältlich im Buchhandel oder über diese Webseite: klick.

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