Ein bislang unbeachteter Bestand an Fotografien aus den frühen 1950er-Jahren wurde im Amt für Stadtplanung entdeckt. Die Aufnahmen zeigen einfache Bretterbuden im Prenzlauer Berg – provisorische Kioske, wie sie in den Jahren nach dem Krieg das Straßenbild prägten. Der ursprüngliche Zweck dieser Fotografien ist nicht bekannt. Weder Auftraggeber noch Anlass der Aufnahmen konnten geklärt werden. Dennoch geben die Bilder wertvolle Einblicke in das alltägliche Stadtleben jener Zeit und dokumentieren ein Stück verschwundener Alltagskultur.

Das Museum Pankow und der Berliner Geschichtsverein Nord-Ost e. V. haben sich der Fotosammlung angenommen. In Zusammenarbeit mit dem Findling Verlag entstand der Wandkalender »Zeitungen, Drops & Brausepulver» für das Jahr 2026. Monat für Monat zeigt der Kalender eines der 50 wiederentdeckten Motive – zwölf ausgewählte Aufnahmen, ergänzt durch Texte, die den Blick auf den Alltag der Nachkriegszeit lenken. Sie erzählen von einer Nachbarschaft, in der Provisorien zum Alltag gehörten – kleine Inseln mitten im Wiederaufbau.

 

 

Kiosk auf Rädern

In Berlin hieß die Bude immer Kiosk – dieses schöne, geheimnisvolle Wort, persisch-osmanischen Ursprungs. Die noblen Gartenpavillons im Topkapi-Palast in Istanbul hießen Kiosk, kein Vergleich mit der ehemals mobilen Bretterbude hier am Bordstein, halbseitig aufgebockt, abgestützt durch einen Bretterstapel. Die beiden Jungs, ausgerüstet mit damals fast unerreichbaren Kinderträumen, einem luftbereiften Tretroller und einem luftbereiften Kinderfahrrad, vom Fotografen geschickt als „Schnappschuss“ positioniert, beleben den seltsam leer wirkenden Kiosk, der weder Auslage noch Kunden hat. Was wurde hier verkauft? Das Sortiment war immer beschränkt: Zeitungen und Zeitschriften und in Berlin natürlich kein Alkohol, der blieb den Würstchenbuden vorbehalten. Die Jungs schauen auch nicht nach raren Süßigkeiten, sie schauen wohl einfach so.

Text: Reinhard Kraetzer

 

 

Informationen zu den Herausgebern:

Der Berliner Geschichtsverein Nord-Ost e. V. widmet sich seit vielen Jahren der Erforschung und Dokumentation der Geschichte der nordöstlichen Bezirke Berlins. Durch Ausstellungen, Publikationen, Vorträge und Veranstaltungen macht der Verein historische Entwicklungen und stadtgeschichtliche Zusammenhänge einer breiten Öffentlichkeit zugänglich.

Das Museum Pankow, Teil des Kultur- und Bildungszentrums Sebastian Haffner, bewahrt und vermittelt die Geschichte des Bezirks in vielfältiger Form. Neben seinen Dauer- und Sonderausstellungen verfügt das Museum über ein umfangreiches Archiv zur Bezirksgeschichte und bietet ein breites Spektrum an Bildungs- und Vermittlungsangeboten für Interessierte.

 

Das Museum Pankow: Prenzlauer Allee 227-228 in 10405 Berlin.

 

Die Texte für den Kalender schrieb Reinhard Kraetzer, redaktionell betreut von Gabi PfeilBettina Tacke und Bernt Roder. Reinhard Kraetzer lebt seit 1973 in Prenzlauer Berg und kennt den Stadtteil aus persönlicher und beruflicher Verbundenheit. Von 1977 bis 1990 war er freiberuflich als Autor und Dramaturg tätig, anschließend bis 1995 Bezirksstadtrat für Sozialwesen und von 1996 bis 2000 Bezirksbürgermeister in Prenzlauer Berg. Bis 2017 arbeitete er in einem Berliner Dienstleistungsunternehmen. Seine Texte verbinden historische Kenntnis mit einem Blick für das Alltägliche und machen die Bilder des Kalenders auch in sprachlicher Form lebendig.

 

Kiosk, Raumerstraße/Ecke Lychener Straße.
Kiosk, Schönhauser Allee unter dem Magistratsschirm.
Kiosk, Standort bisher unbekannt.

 

Der Kalender im handlichen DIN-A5-Format (21×14,8 cm) ist ab sofort erhältlich im Shop des Museum Pankow oder in unserem Onlineshop.

Er umfasst 14 Seiten, mit doppelseitig bedruckten Kalenderblättern, einer weißen Metallringbindung und Rückseiten mit Hintergrundinformationen. Preis: 10,00 €

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